Freitag, 21. August 2015

Osho und ich



2013-04-09 – 13:26:23
Es war ein Freitag. Ich war noch stark angetrunken. Damals trank ich noch. Bis vor ein paar Stunden feierte ich illegalerweise ausgelassen mit Freunden in einen Teheraner Apartment. Der Wecker hatte mich aus dem Bett geholt... Ich meine aus der Couch.
Stimmt, sagte ich mir selbst, ich muss noch Souvenirs kaufen.
Ich kämpfte mich durch die schlafenden Menschen, die in der Wohnung verteilt waren und verließ die Wohnung. Da ich in voller Montur einschlief, konnte ich ohne weiteres einfach raus spazieren. Wie praktisch. In dem fertigen Zustand wo das Atmen einem Schwierigkeiten breitet ist jede kleine Ersparnis an Bewegung ein Geschenk. Ich nahm ein Taxi und ließ mich zu dem Freitagmarkt fahren. Freunde hatten mir diesen Markt empfohlen. Es war ein Markt voller Künstler die Ihre Arbeiten für 'n Appel und 'n Ei verkauften. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich beim Einkaufen in dem Markt hier und da sogar noch mehr zahlte als verlangt wurde, aber auch das war keine Summe die die Arbeit würdigte, eher nur ein Trost für mein Gewissen.
Während ich torkelnd durch den Markt lief, fiel mir etwas ins Auge. In dem eng besetzten Markt saßen auf großzügigem Raum zwei Kerle auf offensichtlich handgeschnitzten Hockern und spielten auf einem wunderschönen Holzschachbrett, Schach. Einer von Ihnen hatte einen gepflegten roten Vollbart und neben ihm lag ein Buch mit einem Apfel darauf. Ich fand das Bild so schön, dass ich es mit meiner Kamera, die ich auf Reisen immer am Gürtel trage, aufnahm.
Später, zurück in Deutschland, saß ich einen Abend mit Freunden zusammen und schaute mir die Bilder an. Bei dem Bild sagte einer meiner Freunde: “Kennst du ihn?”
Ich antwortete: “Nein, er war ein Künstler auf dem Markt.”
“Nein, ich meine das Buch.”
Ich schaute zum ersten Mal richtig hin. Auf dem Buch stand Osho, auf Persisch und Englisch.
“Nein ihn kenne ich auch nicht. Wer ist das?”
Er lächelte nur und gab mir den Rat ihn au Youtube zu suchen. Und das tat ich auch. Ich war begeistert. Ein Mann der sagte was er dachte. Ein Geistiger der keine Angst hatte Dinge anzusprechen, die jeder anderer zu vermeiden versuchte. Es blieb aber bei ein paar Videos.
Erst in Indien fing ich an seine Bücher zu lesen. In dem Aurobindo Ashram gab es eine wunderschöne Bibliothek, mit alten Bambusstühlen und verstaubten Schränken. Ich genoss den Geruch der alten Bücher und schaute mich einfach um und fand in dem Regal mit der Überschrift „Philosophie“ eine große Sammlung von Osho's Büchern. Ich wählte, 4 Bücher die mich anzogen, aus.
Ich legte meinen Fokus auf das Thema Ego. Es ist mein Ego, dass Leid verursacht. Es ist mein Ego, welches meinen Freunden und Familie Leid hinzufügt. Das Ego ist es das mich zwingt das halbe Leben mit sinnfreien Dingen zu verbringen. Es ist das Ego das dafür sorgt, dass wir nur halbherzig lieben, dass wir etwas zurück erwarten anstatt wahrlich zu geben. Es ist das Ego das uns vereinsamen lässt. Es ist das Ego das viele Ängste in uns produziert. Osho sagt, dass das Ego nur eine Fiktion ist, etwas künstliches, das aufgebaut wird und daher auch ständig erneuert werden muss. Er sagt, dass man das Ego nicht bekämpfen oder rausschmeißen kann, denn für ihn ist das Ego ein dunkler Raum. Und die einzige Möglichkeit es zu beherrschen ist: Licht der Wachsamkeit da rein zu bringen! Hinzuschauen. Verstehen was die Quelle unseres Denken ist. Nachfragen warum wir die Dinge tun, die wir tun. Warum wir bestimmte Gefühle haben. Mit bestimmten Leuten lieber Kontakt haben. Einfach wachsam und reflektiert sein.
Seine Worte halfen mir sehr viel. Er wies auch darauf hin, dass Meditation ein mächtiges Werkzeug zur Wachsamkeit ist. Und ich verstand, dass es wirklich nicht einfach ist sich selbst zu verstehen und über sich selbst Wachsam zu sein. Doch für mich stand es fest, dass ich es mehr beherrschen will, dass ich aufhören will mich selbst anzulügen und ich aufhören möchte für mein Ego zu leben, denn das Leben ist viel zu kurz und viel zu kostbar.

Die Bücher waren für paar Tage mein Begleiter, doch ich verließ Delhi und ließ die Bücher dort zurück. Ich reiste weiter und nahm unterwegs auch 10 Tage Unterricht in Buddhas Lehren und Meditationstechniken. Ich lernte meine Gedanken und meinen Körper ein wenig mehr zu beherrschen, aber ich hatte das Gefühl, dass ich etwas in mir unterdrücken muss. Ich fühlte etwas schweres auf meiner Brust lasten. Ich müsste immer Still sitzen, mich ruhig verhalten. Ich wollte aber schreien, ich wollte aber singen, tanzen. Ich praktizierte jede Tag ca. eine Stunde Yoga. Zu Yoga muss ich sagen, dass es unglaublich mächtig ist. Es linderte den Druck auf meiner Brust. Ich schlief sehr gut. Ich war viel wacher und klarer. Aber etwas fehlte trotzdem.
Eines Abends nach gemeinsamer Meditation lief ich wieder durch den Garten, um über ein ausgewähltes Thema nachzudenken. Das war zur Tradition geworden. Ich spazierte in mich gekehrt, da sprach mich ein junger Mann an. Ein Indier, der nicht in dem Ashram lebte, aber zu Meditation kam. Er hatte einen klaren Blick und eine angenehme Energie. Wir sprachen über vieles und so auch über Osho. Er erzählte mir, dass das Osho Center in Puneh zu einem Abzockladen verkommen ist und dass es in Delhi ein Center gibt, das wirklich gut ist. Ich sollte nach Osho Dham(http://www.oshoworld.com/oshodham/) suchen. Und so wusste ich dass meine Reise mit einem längeren Aufenthalt in dem Osho Center enden wird. Nach 2 Monaten Reise durch Indien fuhr ich wieder nach Delhi zu dem Center. Es ist wirklich abgelegen, ca. 50 km vom Zentrum der Stadt entfernt, zwar noch in der Stadt doch langsam auch schon ländlich. Als ich dort ankam, erwartete mich ein großes Tor und schwarze Wände. doch der Wachmann der mich rein ließ war sehr freundlich. Hinter dem Tor versteckte sich ein großes Feld und ein Weg der wieder zu einem kleinem offenem Tor führte und da war ich auch schon am Empfang. Die Geräusche die ich am Empfang wahrnahm berührten mich, ließen mich hellhörig werden, und gaben mir das Gefühl an den richtigen Ort zu sein. Windglocken, aber gleichzeitig von der ferne Geschreie und heulende Menschen. Der erste Ort nach Jahren, wo ich das Gefühl hatte: Hi hier ist anscheinend nicht verpönt mal zu heulen. Am Empfang saß ein junger freundlicher Kerl. Ich wusste noch gar nicht was mich erwarten würde, aber ich fühlte, dass es gut sein würde. In den nächsten 8 Tagen fühlte ich eine Verwandlung, eine Reinigung. Ich tanzte, ich lachte, ich heulte, ich lernte. Ich sah viele Videos von Osho, viele Diskurse.
Ich verstand, ich verstand, dass ich solange so vieles unterdrückt hatte. Ich wollte den Normen unsere Gesellschaft gerecht werden. Ich wollte von anderen wahrgenommen werden. Ich wollte geliebt werden und all diese Dinge hatten zu einer Gefangenschaft geführt. Eine Gefangenschaft die unbemerkt in mein Leben und in mein Sein reingeflossen war. Ich hatte meine kindliche Neugierde und Verwunderung der Welt gegenüber langsam langsam, gegen etwas eingetauscht das ich nicht haben wollte. Gegen etwas was künstlich war und sich nicht gut anfühlte. Mein Erwachsen sein, mein Ego, meine Freunde, mein akademischer Grad zu eine Gefangenschaft. Nicht diese Dinge waren es die es verursachten, sondern dass ich sie brauchte. Dass ich ohne sich mich aufgeschmissenen fühlte.
Ich will von diesen wunderbaren Dinge nicht abhängig sein, sondern sie genießen solange sie da sind und wenn sie nicht mehr sind, dann ist es so. Ich möchte frei sein, um dies zu erreichen muss ich wachsam sein. Ich möchte wachsam sein über mein Ego, über meine Gedanken.

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